Stadtwerke im Fadenkreuz von Hackern – Versorgungssicherheit bei Cyber-Attacken gegen Smart Grids

Kühlschrank, Fernseher, Internet: Ohne Strom wären wir im täglichen Leben doch stark eingeschränkt. Zum Glück liegt Deutschland in puncto Versorgungssicherheit weltweit auf einem der Spitzenplätze. Nur für ca. 12 Minuten pro Kopf und Jahr sind die Stromkunden hierzulande ohne elektrische Energie. Das sieht im restlichen Europa ganz anders aus, wo bis zu einigen Stunden Stromausfall pro Jahr ganz normal sind. Doch kann dieses hohe Niveau auch in Zukunft gehalten werden, wo doch die Energieversorger im Rahmen der flächendeckenden Einführung von „Smart Metern“, also intelligenten, an das Internet angeschlossenen Stromzählern immer angreifbarer für Hacker werden?
Diese Fragestellung diskutierten am 6. Februar 70 Fachleute und interessierte Bürgerinnen und Bürger aus ganz Schleswig-Holstein an der Fachhochschule Kiel. Zusammen mit dem Arbeitskreis Technik und Umwelt des VDI Lübeck organisierten die Fachbereiche Informatik und Elektrotechnik sowie Wirtschaft ein dreistündiges Vortrags- und Diskussionsforum mit kompetenten Referenten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.

Nach der Begrüßung durch Ministerialrat a. D. Heinz-Dieter Hartwig, Leiter VDI-Arbeitskreis Technik und Umwelt, und einführenden Worten des FH-Vizepräsidenten Professor Klaus Lebert eröffnete Professor Kay Rethmeier, Direktor des Institutes für Elektrische Energietechnik, den fachlichen Teil des Nachmittages mit einer anschaulichen Darstellung über die finanziellen Folgen eines Blackouts in Schleswig-Holstein und einem Handlungsvorschlag, wie das Stromnetz nach einen Totalausfall wieder aufzubauen wäre. „Fällt der Strom großflächig aus“, so der Netzexperte, „können unsere Kraftwerke nicht von alleine wieder starten. Sie brauchen Starhilfe, also Hilfsstrom zum Anlaufen.“ Diese Starthilfe kann durch „schwarzstartfähige“ Kraftwerke erfolgen, die es jedoch in Schleswig-Holstein gar nicht gibt.

Viele Rückfragen aus dem Auditorium.
(Bild: ©Gerd Küchmeister, FH Kiel)

Professor Meiko Jensen, Datenschutz- und Internetsicherheitsexperte, verdeutlichte im Anschluss mit prägnanten Beispielen, wie angreifbar die von den Stromversorgern und Netzbetreibern eingesetzten Computersysteme wären. „100-prozentiger Schutz ist nicht möglich“, so der Professor für IT-Sicherheit, „und durch die massenhafte Einführung von Smart Metern gibt es sehr viele neue Einfallstore für Kriminelle“.
Die Bemühungen der Politik zur Verhinderung von hackerverursachten Stromausfällen stellte Dr. Markus Hirschfeld vom Kieler Ministerium für Energiewende und Digitalisierung dar. Hier gelte der Ansatz der Prävention: Die Energieversorger haben Auflagen, ihre Systeme sicherer zu machen und dieses auch nachzuweisen. Dafür hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Richtlinien erlassen, die in speziellen Arbeitsgruppen regelmäßig aktualisiert und auf Stand gehalten werden.
Abschließend gewährte dann Nico Schellmann, Technischer Leiter der Stadtwerke Norderstedt, die sowohl Stromkunden als auch einige 100.000 Internetkunden versorgen, einen Einblick in die Praxis eines Netzbetreibers. Schellmann konnte zwar in der öffentlichen Veranstaltung nicht alle Gegenmaßnahmen enthüllen, jedoch konnte er den anwesenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern glaubhaft darlegen, dass die Stadtwerke das Problem erkannt haben und ein nicht unerheblicher personeller und materieller Aufwand in die IT-Sicherheit investiert werde. Sorgen mache ihm lediglich die Masse an bereits installierten Smart Metern, die noch nicht unter die strengeren Richtlinien des Gesetzgebers fallen und Bestandsschutz genießen. Diese potenziell anfälligeren Geräte werden erst im nächsten Instandhaltungszyklus gegen zertifizierte Geräte ausgetauscht werden können.

Fazit: Durch den Einzug von Internettechnologien bei den Energieversorgern wird das Stromnetz bestimmt nicht sicherer werden. Jedoch wird die Versorgungssicherheit in Deutschland immer besser sein als der europäische Durchschnitt. Denn letztlich ist der wahre Feind des Starkstromkabels bereits eindeutig identifiziert und allen Fachleuten wohlbekannt: Es ist der Baggerfahrer, der bei einer der vielen Baustellen in Schleswig-Holstein durch Zufall ein Hochspannungskabel erwischt…

Prof. Dr. Kay Rethmeier
FH Kiel, Institut für Elektrische Energietechnik
13.03.2018

(Titelbild: ©Gerd Küchmeister, FH Kiel)