Im Hamburger ZAL Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung forschen Wirtschaft und Wissenschaft seit Anfang 2016 gemeinsam zu Zukunftsthemen der Luftfahrt. Bereits seit 2009 ist das ZAL als technologisches Forschungs- und Entwicklungsnetzwerk der zivilen Luftfahrtindustrie in der Metropolregion aktiv: Ziel ist es, den weltweit drittgrößten Standort der zivilen Luftfahrt in Hamburg zu sichern und kontinuierlich auszubauen.

Schon in fünf Jahren sollen Ergebnisse in der Serie „fliegen“

Der Fokus des ZAL liegt auf der Integration und Industrialisierung von Luftfahrttechnologien – Projekte, die in drei bis fünf Jahren ihre Anwendung in der Luftfahrt finden sollen. Hierfür vernetzt das ZAL als „Public-Private-Partnership“ Industrie und Wissenschaft, was sich auch in der Gesellschafterstruktur widerspiegelt: Mit je 20 % sind Airbus, Lufthansa Technik und die Stadt Hamburg beteiligt, mit 10 % das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und mit je 3 % die vier großen Hamburger Hochschulen. Die restlichen Gesellschafteranteile liegen bei einem Förderverein, in dem weitere Unternehmen, Institutionen und Verbände versammelt sind.

ZAL TechCenter: das modernste Luftfahrt-Forschungszentrum der Welt

Nach dem Motto „Forschen und Entwickeln“ unter einem Dach hat das ZAL mit dem TechCenter am Steendiekkanal in Finkenwerder seit Anfang 2016 ein eigenes Zuhause. Auf knapp 26.000 Quadratmetern Nutzfläche bietet das ZAL TechCenter den Mietern Raum für ca. 600 Arbeitsplätze, verteilt auf Büroflächen, Labore und Hallen. Ausgestattet mit hochwertiger Forschungs- und Testinfrastruktur, Konferenz- und Veranstaltungsräumen zählt das markante Gebäude mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von ca. 100 Millionen Euro zu den modernsten Forschungszentren der Welt.

Die Infrastrukturen im ZAL TechCenter bieten nicht nur den dort forschenden Partnern eine deutliche Erweiterung ihrer bisherigen Möglichkeiten, sondern ändern auch die Art und Weise, wie Forschung und Entwicklung am Luftfahrtstandort Hamburg gelebt wird: Künftig können Akteure wie Airbus ihre Zulieferer oder Hochschulpartner durch die räumliche Nähe weitaus früher und effizienter in Ideen mit einbinden, um diese gemeinsam weiterzuentwickeln. Der Weg zur Serienreife wird schneller und kostengünstiger.

Die sechs Forschungsschwerpunkte im ZAL

Die Luftfahrtforschung im ZAL konzentriert sich auf sechs Schwerpunkte – „Technical Domains“ (TD) genannt –, welche die Kernkompetenzen des Standorts Hamburg widerspiegeln:

Zentrales Element der TD1 ist das Fuel Cell Lab, ein Forschungslabor für zivile und sichere Nutzungsmöglichkeiten von Wasserstoff, sowohl in der Luftfahrt als auch in anderen Verkehrssegmenten wie dem öffentlichen Nahverkehr oder dem Automobilbereich. In der Luftfahrt könnte z.B. die mit Kerosin betriebene Hilfsgasturbine (Auxillary Power Unit), die am Boden für die Energieversorgung des Flugzeugs verantwortlich ist, durch eine Brennstoffzelle ersetzt werden. Diese wäre nicht nur komplett emissionsfrei, sie könnte auch während des Fluges weiterbetrieben werden, um etwa die Bordküchen oder das Entertainment-System mit Energie zu versorgen. Eine weitere Treibstoffersparnis wäre die Folge.

Die TD2, Cabin Innovation & Technology, befasst sich mit einem der Hamburger Luftfahrtschwerpunkte: Flugzeugkabinen. Kernelement dieses Forschungsbereich ist das 20 Meter breite und 11 Meter hohe Cabin & Cargo Test Rig – ein Teststand, in dem alle weltweit gängigen Rumpfquerschnitte von Flugzeugen installiert werden können, um dort beispielsweise die Neuanordnung von Kabinenelementen oder effizientere Boarding- und Beladungsmethoden zu erproben.

Das Cabin & Cargo Test Rig mit mittig einesetztem A320-Rumpfsegment in Halle A des ZAL TechCenter (Bild: ZAL)

Das Cabin & Cargo Test Rig mit mittig eingesetztem A320-Rumpfsegment in Halle A des ZAL TechCenter (Bild: ZAL)

Die TD3, Air & Power Systems, befasst sich mit der Weiterentwicklung von Stromversorgungs- und Klimaanlagensystemen in der Kabine. Konkret können die Versuchsaufbauten im ZAL TechCenter unter anderem dafür genutzt werden, elektronisch betriebene Klimasysteme zu erproben, die höheren Passagierkomfort bei gleichzeitig verringertem Energiebedarf ermöglichen.

Industrieller Fokus liegt auf der TD4, Aerospace Production & Fuselage Engineering. Hinter dem sperrigen Namen verbergen sich Forschungsprogramme, die sich mit der Zukunft von Fertigungsmethoden befassen – wie z.B. das auch als „3D-Druck“ bekanntgewordene ALM-Verfahren (Additive Layer Manufacturing) oder unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ laufende neue Automatisierungsverfahren. Für die Hamburger Luftfahrt ist das Thema Produktion hoch relevant: Trotz Ausweitung der Fertigungskapazitäten ist die Produktion bei Airbus bereits für die nächsten 10 Jahre ausgelastet, insbesondere beim mehrheitlich in Hamburg gefertigten „Bestseller“ A320-Familie. Dabei werden große Teile des Flugzeugs, anders als z.B. im Automobilbereich, in Handarbeit zusammengebaut. Effizientere Produktionsmethoden könnten hier für einen deutlichen Produktivitätsgewinn sorgen und mehr Kapazitäten für neue Aufträge schaffen. Lufthansa Technik forscht hingegen in diesem Bereich zu neuartigen CFK-Reparaturverfahren – die beiden großen Standortakteure sind somit direkt nebeneinander in der Halle präsent.

Blick in Halle A des ZAL TechCenter mit dem Forschungsbereich "Aerospace Production & Fuselage Engineering" (Bild: Trilux)

Blick in Halle A des ZAL TechCenter mit dem Forschungsbereich „Aerospace Production & Fuselage Engineering“ (Bild: Trilux)

Kernelement der TD5, Testing & Safety, ist das Acoustics Lab. In diese Akustikkammer, die zu den größten in Europa zählt, passen ein komplettes Rumpfstück eines Airbus A320 oder ein Linienbus. Das Acoustics Lab erlaubt es, Forschungen zu Lärm und Vibrationen, beispielsweise im Flugzeugkabinenbereich, am Boden zu betreiben. Bislang fanden solche Tests vor allem in der Luft statt.

ZAL Acoustics Lab mit A320-Rumpfdemonstrator im Maßstab 1:1 (Bild: Michael Lindner)

ZAL Acoustics Lab mit A320-Rumpfdemonstrator im Maßstab 1:1 (Bild: Michael Lindner)

Die TD6, General Processes & Support Topics, konzentriert sich im ZAL TechCenter auf das Thema Virtual Reality. Dazu wurde im Forschungszentrum die mit 6 x 3,5 Metern größte VR-taugliche Bildscheibe in der nördlichen Hälfte Deutschlands installiert. Der dazu gehörige Raum fasst etwa 30 Personen und steht nicht nur für Simulationen von Projekten aus der Luftfahrt zur Verfügung, sondern auch anderen regional verankerten Branchen wie der Gaming-Industrie.

Lukas Kirchner, Public Relations
ZAL Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung GmbH                                                                                   (m&t II/2016)

(Titelbild: Michael Lindner)