Wie in vielen Bereichen lässt sich auch in der Medizintechnik ein steigender Grad an Automatisierung und ein wachsender Einsatz autonomer Systeme beobachten.

Um den Einfluss von Automatismen und computergestützten Systemen auf dem Gebiet der Medizintechnik von verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und auch einmal kritisch zu hinterfragen, hatte der Hamburger VDI-Arbeitskreis Medizintechnik unter der Leitung von Christoph Materne Anfang November letzten Jahres zum Themenabend „Wieviel Automatisierung verträgt die Medizintechnik?“ eingeladen.

Gastgeber der Veranstaltung war das Northern Institute of Technology Management (NIT), welches Ingenieurinnen und Ingenieuren aus aller Welt eine zusätzliche Ausbildung in Bereichen wie Technologiemanagement und digitaler Transformation bietet. Mit diesem Kooperationspartner war somit für den richtigen Rahmen gesorgt, um im Audimax der TUHH hochkarätigen Fachvorträgen zu lauschen und anschließend an einer lebhaften Diskussion mit den Referenten teilzunehmen.

Den Einstieg in das Thema gab Verena Fritzsche, CEO des NIT, mit einem kurzen Grußwort und einem Ausblick darauf, dass Ingenieure künftig mehr denn je nicht nur technologischen, sondern auch wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen begegnen müssen. Die Medizintechnik sei hierfür ein gutes Beispiel, da in diesem Bereich schnell auch Fragen zu Ethik und der Verantwortung von Maschinen zum Tragen kämen.

Als erste Referentin zu diesem Thema sprach Marie Luise Deckert über die Bedeutung von Automation und Mensch-Maschinen-Interaktion in der Benutzung digitaler Radiographie-Systeme. Deckert arbeitet als Applikations-Spezialistin bei Philips Healthcare und trägt maßgeblich dazu bei, die Bedienung von komplexen Röntgen-Anlagen möglichst benutzerfreundlich zu gestalten. Sie stellte fest, dass in einem sich immer stärker konsolidierenden Gesundheitsmarkt mit steigendem Kostendruck auch im klinischen Alltag die Arbeitseffizienz und Auslastung der Geräte eine immer größere Bedeutung gewinnen. Gerade hier ist es wichtig, mit Blick auf Arbeitseffizienz und Sicherheit auch die Menschlichkeit nie aus den Augen zu verlieren. „Empathie gibt es schließlich nicht als App.“

Norman Scotti, Product Manager bei der Weinmann Emergency Medical Technology GmbH und Experte auf dem Gebiet heutiger Beatmungstechnologie, berichtete über die Entwicklung der Anwenderschnittstellen für diese Geräte. Anhand einer Zeitreise, beginnend bei ersten Geräten ihrer Art bis hin zu aktuellen High-End Produkten, diskutierte er sowohl Chancen als auch Herausforderungen im Bereich der Beatmungstechnologie, an die wir höchste Ansprüche hinsichtlich Zuverlässigkeit, Funktionalität und intuitiver Bedienbarkeit stellen. Dabei gab er für die Zuhörer hochinteressante Ausblicke, wohin der Trend künftig gehen und welche Konsequenzen sich daraus sowohl für Anwender als auch Hersteller ergeben könnten.

Daran anknüpfend teilte Prof. Barbara Zimmermann, Vizepräsidentin und Leiterin des Fachbereichs Gesundheit an der hochschule 21 in Buxtehude, ihre umfangreichen Erfahrungen in der Ausbildung medizintechnischen Fachpersonals. Sie sprach dabei vor allem über den neuen Fokus in der Lehre und den Wandel der benötigten Qualifikationen. Automatisierung böte hohes Potential, um die Qualität medizinischer Gesundheitsleistungen zu verbessern und zum Beispiel die Bildqualität medizinischer Bildgebung auch unabhängig vom Anwender zu gewährleisten. Allerdings ergeben sich auch diverse Risiken, sollte die Ausbildung nicht den Wandel der Zeit berücksichtigen und sich auf die neuen Anforderungen der Generation „Digital Natives“ einstellen. Die Art und Weise, wie Fachkräfte heutzutage lernen, welchen Fokus sie sich suchen und wie selbstverständlich ein „Mitdenken“ von digitalen Systemen erwartet wird, macht deutlich, welchem Anspruch sich die Lehre künftig stellen muss, um auch weiterhin qualifiziertes Fachpersonal hervorzubringen.

Mit seinem Vortrag zum Thema „Wieviel Automatisierung verträgt die Radiologie?“ ging anschließend Prof. Dr. med. Gross-Fengels, Facharzt für Radiologie und Chefarzt am Asklepios Klinikum Harburg, darauf ein, welchen Fortschritt Automatisierung bereits im Bereich der radiographischen Diagnostik gemacht hat und an welchen Stellen er noch Potential sieht. So ermögliche der geschickte Einsatz computergestützter Systeme zur Vorselektion und Sortierung von Röntgenaufnahmen in der Diagnostik eine Entlastung bei administrativen Aufgaben und könne den Radiologen dabei unterstützen, die knapp bemessene Zeit auf die wesentliche Befundung zu konzentrieren. Hier erörterte Gross-Fengels anhand von Beispielen aus der klinischen Praxis lebhaft und mit Humor mögliche Anwendungen. Zudem zeigte er auch die Grenzen fortschreitender Automatisierung auf und machte deutlich, welche Kompetenzen man autonom agierenden Systemen einräumen könnte und wo letztendlich doch die menschliche Komponente unentbehrlich bleibt.

v.li.: Norman Scotti, Christoph Materne, Verena Fritzsche, Prof. Barbara Zimmermann, Prof. Gross-Fengels, Marie Luise Deckert
(Bild: ©NITHH)

Angeregt durch diese Vorträge beteiligten sich die Zuhörer im Anschluss lebhaft an der Podiumsdiskussion, bei der die Referenten noch ausführlich auf die Fragen aus dem Plenum eingingen. Dabei zeigte sich, dass das Thema des Abends nicht nur in Ingenieur-Kreisen auf Interesse stößt, sondern auch unter Medizinern derzeit heiß diskutiert wird. So fanden sich unter den Zuhörern diverse Ärzte und medizinisches Fachpersonal. Materne begrüßte dies sehr und betonte, wie willkommen ihm auch ein interdisziplinärer Austausch für diese Veranstaltung war. „Es ist mir sehr wichtig, dass in unserer Disziplin Ingenieure, Ärzte und medizinisches Fachpersonal auf Augenhöhe in den Dialog treten und gemeinsam an Lösungen arbeiten.“

Sehr gefördert wurde dieser Dialog auch durch den abendlichen Ausklang im Foyer des NIT, wo man sich bei einem kleinen Imbiss und Getränken noch lange austauschte.

Materne bedankt sich ganz herzlich bei allen Referenten sowie den Damen Fritzsche und  Maslonka vom NIT für die tatkräftige Unterstützung und für das gute Gelingen der Veranstaltung.

Christoph Materne
VDI Hamburg
17.02.2017

(Titelbild: ©maxview)