Das Thema klingt sperrig und ist einem komplexen Vorhaben geschuldet: Modulare Produktstrategien sollen einerseits die große Produktvielfalt angesichts der zunehmenden Individualisierung der Kundenwünsche sicherstellen, andererseits eine daraus resultierende Kostenexplosion vermeiden helfen. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen ist das überlebenswichtig. Daher widmete sich das 24. Treffen des VDI-Arbeitskreises Entwicklung und Konstruktion dieser aktuellen Thematik.

Arbeitskreistreffen in der Montagehalle der Firma Mankenberg
(Bild: ©Dr.-Ing. Armin Bossemeyer)

VDI-Vorstandsmitglied Dr.-Ing. Armin Bossemeyer hatte seinen Arbeitskreis zur Montagehalle der Lübecker Firma Mankenberg eingeladen. Firmenchef Axel Weidner begrüßte die über vierzig Teilnehmer, die sich dem Thema dann auch von praktischer Seite nähern konnten: Bewaffnet mit Zange, Hammer und Schraubenschlüssel wurden in der Montagehalle Ventile demontiert und Einzelteile unter wissenschaftlicher Anleitung klassifiziert. Viele Teilnehmer konnten an den Werkbänken praktisch erfahren, worauf es ankommt, die Komplexitätskosten des Produktsortiments zu reduzieren. Vorträge von Wissenschaftlern und Praktikern rundeten die Themenpallette ab.

Demontage von Ventilen an der Werkbank
(Bild: ©Prof. Dieter Krause)

Der Arbeitskreis Entwicklung und Konstruktion ist eine Einrichtung des VDI Hamburger Bezirksvereins und wird gemeinsam mit NORDMETALL und dem AGV NORD betrieben. Im Fokus des Arbeitskreises stehen die Innovation von Produkten und Dienstleistungen, Methoden der Produktentwicklung sowie der Einfluss neuer Fertigungstechnologien auf die Konstruktion. Diese Themen werden regelmäßig durch Fachvorträge, Besichtigungen und Erfahrungsaustausch vertieft.

Hintergrund dieser Veranstaltung war ein vom Institut für Produktentwicklung und Konstruktionstechnik (PKT) initiiertes Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Titel: „ProRobuSt – Methoden zur Entwicklung und Beherrschung der Produktvielfalt durch modulare zukunftsrobuste Produktstrukturen“. Das Verbundprojekt soll kleinen und mittelständischen Unternehmen helfen, hochwertige und individuelle Lösungen schnell und flexibel anbieten zu können, ohne die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu riskieren. Die bereitzustellende hohe Kundenindividualität führt vielfach dazu, dass Produkte quasi als Unikate entwickelt und hergestellt werden müssen. Ohne flankierende  Maßnahmen entsteht so zwangsläufig eine höhere interne Komplexität der Produktionsprozesse, die am Ende höhere Kosten generiert.

Die Betriebe Mankenberg, ERLAS sowie Lutz Aufzüge arbeiten nun zusammen mit Prof. Dieter Krause von der Technischen Universität Hamburg in einem Verbundprojekt. Trotz sehr unterschiedlicher Produkte und Ausgangssituationen verfolgen sie die gleiche Strategie: Reduktion der internen Teilevielfalt bei gleichbleibender externer Produktvielfalt. Flankiert wird das Projekt von der Odego GmbH, einer Ausgründung des PKT. Sie hält ein breites Angebot an maßgeschneiderten Trainings und interaktiven Workshops vor und dient dem Projekt als Befähiger und Multiplikator. Der PKT-Ansatz zur Entwicklung modularer Produktfamilien basiert auf einem Workshop-basierten Vorgehen und unterstützt die gezielte Umgestaltung, Änderung oder Neugestaltung von Komponenten zur Reduzierung der Varianz.

Durch wechselnde Produktanforderungen, etwa nachgefragte Funktionalitäten, Varianten oder Technologiesprünge, droht die Vielfalt im Laufe der Zeit immer weiter zu wachsen. Im Rahmen des Projektes wird untersucht, wie einer solchen Komplexitätsgenerierung entgegengewirkt werden kann. Projektbeispiele zeigen, dass mit dem PKT-Ansatz Kosteneinsparungen in Höhe von 30 Prozent etwa in der Montage und bis 70 Prozent in der Konstruktion erzielt wurden.

Das Familienunternehmen Mankenberg steht als mittelständischer Betrieb mit Erfahrung und technischem Know-How für optimierte Lösungen in der Armaturenbranche. Die Vielfalt und Flexibilität an Ventilen aus diversen korrosionsbeständigen Werkstoffen aus dem Traditionshaus ist einzigartig. Nahezu 100 Prozent Fertigungstiefe am Standort in Lübeck stellen Qualität, Flexibilität und Termintreue für jeden Auftrag sicher. Projektleiter Thorsten Henck weiß: „Jede Abteilung im Haus hat ihre eigene Sicht auf die Modularität jedes Produkts. Beispielsweise sieht der Einkauf das Produkt anders als die Montage.“ Hencks Ziel ist es, eine gemeinsame Linie für das gesamte Unternehmen zu ermitteln und mit der Geschäftsführung umzusetzen. Dabei wird nicht nur das Produkt betrachtet, sondern auch die Prozesse, die zur Herstellung notwendig sind.

Geschäftsführer Axel Weidner fasst zusammen: „Klare Abläufe und modulare, standardisierte Produktlinien sparen interne und externe Prozess- und Investitionskosten. Sie bilden die Basis für schnellen Service, kurze Lieferzeiten und hohe Termintreue auch bei hoher externer Produktvarianz und maximaler Kundenorientierung. Mit dem Projekt ProRobuSt starten wir die Neuorientierung des gesamten Produktprogramms und aller internen Prozesse, um unsere Marktposition zu sichern und ausbauen zu können.“ Die modulare Zukunft der Produkte hat begonnen.

Dr.-Ing. Armin Bossemeyer
VDI Hamburg
04.12.2017

(Titelbild: ©maxview)